Ausstellungen und Kataloge

i.A. des Sprengel Museum Hannover  1981-1997

 

Die Kuratierung von Ausstellungen, für die wir vor allem die reichhaltigen Sammlungs-bestände des Museums nutzten, spielte in meiner Tätigkeit am Sprengel Museum Hannover eine wichtige Rolle. Die von mir betreuten Ausstellungen waren thematisch konzipiert oder verfolgten ein didaktisches Prinzip. Dabei gingen wir davon aus, dass unser Publikum Kunstwerke in der Ausstellung nicht nur intellektuell betrachten, sondern mit Spaß und „allen Sinnen“ wahrnehmen und genießen möchte. Dazu drei Beispiele:


Skulptur begreifen. Tastgalerien 1981 und 1989

Unter dem Titel Skulptur begreifen richteten wir wiederholt „Tastgalerien“ ein, mit denen wir Kinder, jugendliche und erwachsene Besucher zu einem primär haptischen Erleben moderner Skulpturen einluden. Nachdem wir uns mit der Restauratorin des Museums beraten hatten, wählten wir aus der Sammlung des Museums Skulpturen aus Stein und Metall aus, die wir durch Leihgaben von Künstlern und Galerien ergänzten. Die Ausstellungen war vermittels eines speziellen Bodenbelags, durch die Anbringung von Braille-Beschriftung und mit dem Einsatz eines Audioguide-Systems technisch so eingerichtet, dass selbst stark sehbehinderte Besucher/innen die Skulpturen ohne persönliche Begleitung auffinden und ertasten konnten. Anlässlich der Ausstellung riefen wir zu Spenden auf, die dem Landesbildungszentrum für Blinde, Hannover, eine wunderbare Marmorskulptur in Gestalt eines Riesen-Eis bescherte.

V.l.n.r.: Ein sehbehin-dertes Mädchen er-tastet eine Skulptur von Jean Arp.

Schüler einer Grund-schulklasse tauschen sich über eine Skulptur von Ernst Hermanns aus, in der Ausstellung Skulptur begreifen, Tastgalerie 1981.

Die Fotos wurden aufgenommen i.R. eines  VHS-Bildungs-urlaubs unter Leitung von Tuna Çiner und Philipp Scholz-Rittermann,


Skulptur begreifen, Tast-galerie 1 u. 2, die Kataloge zu den beidenAusstellungen. V.l.n.r.: 1980, mit Knautsch-umschlag nach einem Vorbild von Claes Oldenburg.

1989, mit einem von Günther Uecker eigens entworfenen Prägeumschlag.

Nachfolgend eine didaktische Versuchsanordnung aus der Abteilung „Einfach simpel!“: Besucherinnen einer Ausstellung moderner Kunst studieren ein Exponat, betitelt „Air Conditioning by Ajax“. Ein Kunstwerk dieser Art hing in unserer Ausstellung:

Zum Erfolg der beiden Tastgalerien gehörte, dass ich wiederholt zu internationalen Fach-konferenzen über Kunstvermittlung für blinde und sehbehinderte Menschen eingeladen wurde, so z. B. nach Japan und Großbritannien. Gemeinsam mit Marcus Weisen vom Royal Institute for the Blind (London) veröffentlichte ich 1989 die > „Liverpool Resolution ,Blinde im Museum‘“. Darin forderten wir – erstmalig im Museumswesen – den ungehinderten Zugang sehbehinderter Menschen zu öffentlichen Ausstellungen und Museen sowie geeignete Formen der didaktischen Begleitung (Beilage zu Bibl. 040).


Das kann mein Kind auch! 1987

Wie kann man zeitgenössische Kunst Menschen verständlich machen, die ihr skeptisch, ratlos oder gar ablehnend gegenüberstehen? Diese Frage stellten wir uns i. R. eines ausstellungsdidaktischen Seminars im Studiengang Kulturpädagogik an der Universität Hildesheim. Entgegen einer kunstgeschichtlich „korrekten“ Konzeption entwarfen wir eine Ausstellung, die sich an den Vorbehalten der Museumsbesucher gegenüber moderner Kunst orientierte. So hießen Abteilungen der Ausstellung z.B. „Kritzler“, „Chaoten“, „Anstreicher“, „Banalitäten“ oder „Das kann mein Kind auch!“ (der Titel der Ausstellung und des begleitenden Katalogs, Bibl. 027). Die jeweiligen „Bauchschmerzen“ der Betrachter, die wir in div. Gästebüchern von Ausstellungen der Kunst nach 1945 erforscht hatten, veranschaulichten wir mit Cartoons und flotten Sprüchen, wie z.B. diesem: Lieber vom Leben gezeichnet, als von Picasso gemalt!

V.l.n.r.: Cartoon von W. Scully, 1952. Jan Schoonhoven R 73/27 1973, Holz, bemalt 104 x 104 cm, Sprengel Museum Hannover. Katalog zur Ausstellung (Bibl. 027).

KUNST IM KONTEXT. Projekt: Künstlermuseum


Kann der Kunstfreund, über die aufmerksame Betrachtung hinaus, zu einer intensiveren Erfahrung von Sinn und Bedeutung des Kunstwerks finden, wenn er dessen Kontexte –

die Lebensauffassungen, die ersten Ideen der Werkfindung, das experimentelle Vorgehen oder Äußerungen des Künstlers/ der Künstlerin – kennenlernt? Und ist eine ausstellerische Inszenierung, die gemeinsam mit dem Künstler erarbeitet wird, vielleicht besser geeignet, um den besonderen Ausdruck eines Kunstwerks zu erleben? „Das Kunstwerk spricht nicht nur in sich...“. Dieser Satz von Franz Erhard Walther, abgedruckt im Interview des nachfolgend genannten Katalogs, deutet darauf hin.


Meine 1994 eingeleitete Ausstellungsreihe Kunst im Kontext. Projekt Künstlermuseum schaffte es bis zu meinem Ausscheiden aus dem Museumsdienst leider nur auf drei Stationen. Ich verstand das Projekt als einen Versuch, über herkömmliche Formen der Museumsdidaktik hinaus zu gehen, indem der/die Künstler/in selber, mit seinem Denken

und Handeln, seinem Selbstverständnis und auch mit seinen eigenen Vorstellungen davon,

wie seine Werke gezeigt werden sollten, im Mittelpunkt steht.


Franz Erhard Walther „Mit sieben Stellen und Mantel“ 1980

Künstlermuseum 1, 1994-95

Auf die erste Folge dieser Ausstellungsreihe hat sich Franz Erhard Walther (geb. 1939 in Fulda, lebt dort), konzeptioneller Installationskünstler, Zeichner und Kunstprofessor, eingelassen. Das Sprengel Museum Hannover besitzt von ihm eine großformatige „Wandformation“ aus dem Jahr 1980, betitelt Mit sieben Stellen und Mantel. Walther, der schon als junger Künstler den „Ausstieg aus dem Bild“ propagierte, besetzt mit seinen Werken Räume, in denen der Betrachter zum aktiven Mitspieler werden kann.

V.l.n.r.: Franz Erhard Walther: Werkhandlung an Mit sieben Stellen und Mantel 1980, 15. November 1994 im Sprengel Museum Hannover. Der vom Künstler gestaltete Katalog zur Ausstellung (Bibl. 060).

Im Zentrum der Ausstellung, die wir zu einem mehrwöchigen Programm erweiterten, standen die Wandformation und dazugehörige Zeichnungen, Walthers Werkhandlung am Objekt, seine Mitwirkung an einer musikalischen Performance u.a. Veranstaltungen.

Die Gestaltung des Katalogs zur Ausstellung lag in seiner Hand (Bibl. 060).


Nikolaus Lang „Druckstock I“ 1980

Künstlermuseum 2, 1995

Der Künstler, Farbensammler und Alltagsarchäologe Nikolaus Lang (geb. 1941 in Ober-ammergau, lebt in Murnau) gilt als Vertreter einer künstlerischen Bewegung seit Beginn der 70er Jahre, die Günter Metken „Spurensicherung“ genannt hat. Lang erforscht in der Natur organische und kristalline Strukturen, die er künstlerisch als „imaginäre Figurationen“ wertet und präsentiert. Das Sprengel Museum Hannover besitzt von ihm einen etwa 12 Meter langen, aus der Rinde gelösten Fichtenstamm. Lang setzte diesen wie einen Druckstock ein, indem er die auf der Oberfläche von Borkenkäfern produzierten Fraßspuren auf Japan-Papier abzog. Der Abdruck bringt die organischen Gravuren als eine Art „Geheimschrift der Natur“ (Lang) zur Anschauung (Bibl. 061).


Im Kontext dieser Arbeit von 1980 entwarf Nikolaus Lang die Ausstellung so, dass die gezeigten Werke seine subjektiven, quasi-wissenschaftlichen Künstlermethoden demon-strieren. U.a. breitete er auf dem Boden der Museumshalle ein ca. 36 qm großes Farbfeld aus, bestehend aus unterschiedlichen, fein gemahlenen Farbpigmenten, die er in nord-australischen Bergwerken geborgen hatte.

Links oben: Blick in die vom Künstler konzipierte Ausstellung mit Farbfeld im Sprengel Museum Hannover. Mitarbeit: Gabriele Kindler. Foto Katalog: Michael Herling, Sprengel Museum Hannover. Rechts oben: Gemeinsam mit Nikolaus Lang finden wir an der Ammer die Stelle, wo der Baum von Druckstock I gestanden hat. Foto: U.L.. Links: der Katalog zur Ausstellung (Bibl. 061).

Emil Schumacher

Künstlermuseum 3, 1997

Ein Jahr vor seinem 85. Geburtstag gelang es uns, Emil Schumacher (Hagen 1912 – 1999 Ibiza) für eine Ausstellung im Programm von „Kunst im Kontext“ zu gewinnen, die am Ende mehrere Räume des (sonst der Schausammlung des Museums vorbehaltenen) Obergeschosses füllte. Das Museum verfügte damals über sechs z.Tl. großformatige Gemälde des Künstlers, die bis dahin nicht alle zur Sammlung zählten und auch noch nie zusammen gezeigt worden waren. Über die Präsentation dieses Konvoluts an Gemälden hinaus, das Ulrich Schumacher, der Sohn des Künstlers und damaliger Direktor des Museum Quadrat Bottrop, durch jüngste Aquarelle seines Vaters ergänzte, ließ sich Emil Schumacher auf unsere Idee einer „Artist's Choice“-Ausstellung ein: Aus der Schau-sammlung und aus dem Depot des Museums wählte er Gemälde und Skulpturen von Künstlern aus, die er für seine künstlerische Entwicklung als bedeutsam ansah (wie z.B. Picasso, Kokoschka oder Beckmann), die er als Verwandte im Geiste schätzte oder aber, weil er mit den Künstlern schon seit Jahren befreundet war.

V.l.n.r.: Emil Schumacher an der Skulptur Dans les rues d'Athènes 1960 von Max Ernst. U.L. im Gespräch mit Emil Schumacher. Fotos: © Michael Herling, Sprengel Museum Hannover. Der Katalog zur Ausstellung mit dem vom Künstler gestalteten Umschlag (Bibl. 067).

Im Katalog zur Ausstellung begründete Schumacher seine Auswahl so: „Ich verstehe das nicht als ein gegenüberstellendes Abwägen, welches die besseren Bilder sind. Meine Auswahl soll vielmehr klären, was ich selber unter Kunst verstehe.“ Schumachers Künstler-freunde Piero Dorazio, Pierre Soulages und Emilio Vedova trugen mit eigenen Bildern zur Ausstellung bei und schickten Glückwünsche zum Geburtstag. Carel Appel schrieb: „I'm sure that this exhibition will show his eternal youth.“ Hans Platschek und Gerhard Schröder, damals Ministerpräsident von  Niedersachsen und ein Verehrer der Werke Schumachers, eröffneten die Ausstellung mit mir gemeinsam.

LEBENSZEICHEN. Botschaft der Bilder, 1988

Wirklichkeit und Lebensverständnis in der modernen Kunst, 1983. Die anl. des 20. Deutschen Evangelischen Kirchentags in Hannover 1983 eingerichtete Ausstellung unternahm den Versuch, moderne Kunstwerke als Zeugnisse der persönlichen und sozialen, der existenziellen Lebenserfahrung der Künstler zu interpretieren (Katalog und Buchausgabe: Bibl. 018).




nackt in der Kunst des 20. Jahrhunderts, 1985

Gemälde, Skulpturen, druckgraphische Werke, Videofilme und Performances. Eine multimediale Ausstellung zur Aktkunst im 20. Jahrhundert (Katalog und Buchausgabe, Bibl. 022).







FOTOVISION. Projekt Fotografie nach 150 Jahren, 1988

Die gemeinsam mit Bernd Busch und Werner Oeder konzipierte

Ausstellung feierte das 150-j. Jubiläum der Fotografie, die für die Sammlung und das Ausstellungsprogramm des Sprengel Museum Hannover von Anfang an eine bedeutsame Rolle gespielt hat (Bibl. 032). In dieser Ausstellung erprobten wir erstmalig ein Audioguide-System.





BILDWECHSEL. 25 x unterwegs zu 75 Kunstwerken im Sprengel Museum Hannover, 1994

Das Buch kam den Wünschen unserer Einzelbesucher/innen entgegen. Es lud zu Kurzbesuchen ein, indem es auf 25 wählbaren Wegen, die thematisch angelegt waren, zu jeweils drei Kunstwerken in der Schausammlung des Museums hinführte. Wiss. Mitarbeit: Stephanie von der Wense (Bibl. 058).



    

Weitere Ausstellungen mit Katalog

Kunstvermittlung. In dieser Ausstellung haben wir im Begleitprogramm, anstelle von Führungen, ausschließlich Gespräche angeboten.