Kustos für Bildung und Kommunikation

am Sprengel Museum Hannover  1978-1997

 

Im Sommer 1978 trat ich am Sprengel Museum Hannover die Stelle eines beamteten Kustos an. Dafür siedelte ich mit meiner Familie nach Hannover um. Das Museum, dessen Gründung aus einer Schenkung von Dr. Bernhard Sprengel an die Stadt Hannover hervor-gegangen war, wurde im Sommer 1979 eröffnet. Für den Aufbau eines Referats für Museumspädagogik fand unser fünfköpfiges Team personell, räumlich wie finanziell ideale Bedingungen vor.


Auftrag

Der Auftrag unseres Referats war an den Interessen und Wünschen aller Besuchergruppen des Museums orientiert. Dazu gehörten die pädagogische Arbeit mit Schulklassen, Kindern und Jugendlichen, ein thematisch wie methodisch differenziertes Führungsprogramm für erwachsene Besucher/innen, bis hin zu besonderen Angeboten für ältere oder sehbehin-derte Personen. Für Einzelbesucher setzten wir eine Fülle „didaktischer“ Informationsblätter ein. Wegen der Vielfalt unserer Vermittlungsarbeit benannten wir 1990 unser Referat in „Bildung und Kommunikation“ um. Andere Museen folgten diesem Beispiel nach.

Kinderforum

Das unter diesem Namen auf einer eigenen Werk- und Spieletage, in der „Mehrzweckhalle“ wie auch außerhalb des Museums realisierte Programm bot Kindern und Jugendlichen in ihrer Freizeit ein Forum für die kreative Begegnung mit Kunstwerken des Museums. Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Filmemacher u.a. Künstler/innen – von Leo Erb, Siegfried Neuenhausen, Maria Tomaselli bis Adam Seide – übernahmen im „Kinderforum“ die künstlerische Leitung. Die Ereignisse der ersten Jahre haben wir 1985 in einem bilder-reichen Buch zum Mitmachen, betitelt Kunstspiel, dokumentiert, das später auch ins Japanische übersetzt wurde (Bibl. 023 und 064).

Abb., v.l.n.r: Kunstspiel. Das Kinderforum im Sprengel Museum Hannover, Aktionen 1978 bis 1985, hg. von U.L. (1985, 2. A. 1987). Hier abgebildet: Die vom japanischen Kunsterzieher-Verband hg. Buchausgabe, Tokyo 1996 (Bibl. 064). Rechts, aus Kunstspiel: „Kratzfilm“, Ferien-Workshop mit Kindern, künstlerisch geleitet von Hiltrud Köhne.

Das Team

Dankbar denke ich an die erfolgreiche Zusammenarbeit mit meinen damaligen künstlerisch wie pädagogisch qualifizierten Kolleginnen zurück – mit Renate Reuning, Felicitas Langner, Gisela Deutsch, Maria Röwe, Claudia Marquardt und Frau Priesnitz (Sekretärin), vor allem mit Renate Dittscheidt und Gabriele Sand.


Didaktische Information (di)

Zum architektonischen Konzept des Sammlungsbereichs gehörten fünf sog. Didaktische Kabinette – eine bis dahin in der Museumsarchitektur einmalige Einrichtung. In diesen Kabinetten präsentierten wir Informationen zur jeweiligen Sammlungsabteilung oder zu einzelnen Künstlern, oft in Verbindung mit dem Einsatz sog. Hands-on-Tafeln. Mit den Informationsblättern, die wir in großen Auflagen für diese Räume wie auch für Sonder-ausstellungen publizierten, richteten wir ein abonnierbares Sammelwerk im Ringbuch-Format ein.

Blick in das Didaktische Kabinett „Pablo Picasso“. Rechts: Sammelordner für die Informationsblätter.

FORUM Kunstprogramm – Volkshochschule im Museum

Mit zwei Kursreihen, betitelt "Theorie" und „Werkstatt" (die letztere fand in der museums-eigenen Druckwerkstatt für Originalgraphik statt), und bis zu 14 Kursen unterhielten wir gemeinsam mit der VHS Hannover am Sprengel Museum Hannover das vielleicht vielseitigste Kursprogramm für Erwachsene an einem deutschen Museum. Neben den Museumspädagoginnen bestritten publikumserfahrene Künstlerinnen und Künstler dieses ambitionierte Bildungsprogramm.


Gespräche mit Künstlerinnen und Künstlern

Welche Bedeutung der mens auctoris bei der Interpretation von Kunstwerken zukommt, ist – von Platon bis H.G. Gadamer – bis heute umstritten. In der Vermittlungs- und Bildungsarbeit im Museum, namentlich bei der Bearbeitung von Katalogen, haben sich Eigenkommentare der Künstlerinnen und Künstler, in denen sie selber ihre Ideen, ihr Selbstverständnis oder ihre Arbeitsmethoden erläutern, als fruchtbar erwiesen. Vor allem bei den mit Künstlern gemeinsam konzipierten Ausstellungen, wie z.B. bei Skulptur begreifen oder Kunst im Kontext. Projekt: Künstlermuseum (s.o.), spielten Interviews eine wichtige Rolle. Hier die Liste meiner publizierten Gespräche mit Künstlerinnen und Künstlern, von Marc Chagall über Günther Uecker bis hin zu Franz Erhard Walther: > Link.

Wiedersehen mit dem Bildhauer, Maler und Installationskünstler Herbert Hundrich in seinem Atelier in Sineu auf Mallorca, Mai 2011 (www.hundrich.com). Mit H. Hundrich, der wiederholt Kunstaktionen der Museumspädagogik im SMH leitete, sprach ich 1989 über seine Arbeit, anl. der Ausstellung Skulptur begreifen 2 (Bibl. 034, S.31-33).

Ökumenische Kunstgottesdienste

Unter dem Eindruck des 20. Deutschen Ev. Kirchentages, der wenige Tage zuvor in Hannover zu Ende gegangen war, zugleich im Hinblick auf eine bevorstehende Groß-demonstration für den Frieden in Hamburg lud das Museumspädagogische Referat des Sprengel Museums zu einem bis dahin unbekannten Veranstaltungsformat in das Museum ein – zu einem „ökumenischen Kunstgottesdienst“. Das Ereignis fand unter unseren Museumsbesucher/innen viel Zuspruch und ermutigte zur Fortsetzung. Im Mittelpunkt der Gottes-dienste stand jedes Mal ein Kunstwerk aus der Sammlung des Museums. Im Umgang mit Kunst erfahrene Geistliche, wie z.B. Rainer Volp, Friedhelm Mennekes, Barbara Robra oder Landesrabbiner Henry G. Brandt, übernahmen die Leitung der Gottesdienste. In enger Zusammenarbeit mit Stadtsuperintendent Hans Werner Dannowski (Hannover) entwickelte sich das anfängliche Experiment zu einer eigenen, anspruchsvollen Liturgie, bei der die musikalische Begleitung – von klassisch, Jazz bis Klezmer –, Performances und Lesungen wesentlich beitrugen und beitragen: Von H.W. Dannowski und Kustodin Gabriele Sand wird die jedes Mal vielbesuchte Veranstaltungsreihe bis heute weiter verfolgt.

Links: Ökum. Kunstgottesdienst vor dem Gemälde Nahum 1976 von Emil Schumacher. Der Gottesdienst mit dem Titel Der Erde näher als den Sternen wurde von Prof. Rainer Volp (Mainz) geleitet und fand am 17.02.1991 im Sprengel Museum Hannover statt.

Rechts: Kunst ist Gleichnis 2002 (Bibl. 076), die Dokumentation der von mir 1983-1996 betreuten Kunstgottes-dienste.